Viola starrte auf das dicht bedruckte Papier. Nur eine Unterschrift trennte sie noch von ihrem neuen Leben. Wollte sie diesen Schritt wirklich gehen?
Sie dachte an ihre letzten Berufsjahre zurück. Immer lächeln, immer freundlich sein, ganz gleich, wie dreist die Wünsche ihres Gegenübers waren. Alles, wirklich alles hatte sie möglich gemacht, und wofür? Selbst ein einfaches Danke war zur Seltenheit geworden. Manche waren gar so dreist, Viola für die eigene Dummheit verantwortlich zu machen. Was konnte sie dafür, wenn andere nicht fähig waren, ihren Verstand zu gebrauchen und die Konsequenzen ihres Handelns abzuschätzen? Wie oft hatte sie davor gewarnt, etwas Unüberlegtes zu tun? Wie vielen hatte sie geraten, noch einmal in sich zu gehen und darüber nachzudenken, ob sie wirklich wollten, was sie von ihr verlangten? Doch kaum einer wusste ihr Engagement zu würdigen. Mit jedem Auftrag, den sie erfüllte, wurde ihr Frust größer. Viola fühlte sich benutzt, missachtet und ausgebrannt.
Deshalb saß sie nun hier, im Büro der Konkurrenz. War sie ernsthaft bereit, die Seiten zu wechseln? Und ob! Entschlossen schwang sie den Füllfederhalter und setzte ihren Namen unter den Vertrag. Die Menschen hatten ihre Güte verschmäht, nun sollten sie ihren Zorn zu spüren bekommen. Sie, Viola, ehemals gute Fee, würde künftig mit Vergnügen daran arbeiten, das Schlechteste aus jedem Wunsch herauszuholen.
(Dieser Text wurde für den monatlichen Mikrofiktions-Wettbewerb bei Sweek geschrieben. Vorgegebenes Wort: Wunsch)
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